»Man sitzt beim Mittagessen in der Mensa und trifft die Kollegin XY, die hier klassischen Gesang unterrichtet und unterhält sich nett und stellt fest: Ach, wir haben ja so viel gemeinsam. Und eigentlich gibt es in diesen Fächern so viele Überschneidungen […] da würde ich mir manchmal ein bisschen mehr Austausch wünschen. Ich habe […] das Gefühl, jede Abteilung wurschtelt hier so ein bisschen in ihrem eigenen Ding rum und es gibt wenig Querverbindungen.«
(Bedarfs- und Machbarkeitsstudie des Netzwerk Musikhochschulen, 2013, Interview Nr. 3)
Womöglich haben Sie bereits ähnliche Erfahrungen gemacht? Musikhochschulen sind Expert*innenorganisationen. Das vorhandene Wissen in den unterschiedlichsten Bereichen zu bündeln, bietet daher nicht nur für Studierende, sondern auch für Lehrende vielfältige Perspektiven und Lernchancen. Auch vermag es die Last von den Schultern einzelner Personen zu nehmen, sämtliche mit dem Fach verknüpfte Aspekte alleine stemmen zu müssen. Teamteaching kann dafür eine gute Möglichkeit sein.
Aber was bedeutet Teamteaching eigentlich?
Teamteaching beschreibt eine auf Zusammenarbeit fußende Lehr-, Lern- und Arbeitsform von mindestens zwei Lehrpersonen in mindestens zwei Phasen einer Lehrveranstaltung (angelehnt an Kempen & Rohr, 2011, S. 4). Dabei geht Teamteaching über den reinen Austausch von Informationen hinaus und bedeutet nicht, sich Unterrichtsinhalte oder auch die Organisation von musikpädagogischen Veranstaltungen effizient aufzuteilen. Vielmehr beschreibt Teamteaching eine intensive Auseinandersetzung mit den Lehrkonzepten anderer und ein gemeinsames Entwerfen und Ausarbeiten von Unterrichtsideen. In diesem Prozess wird individuelles Wissen nicht nur ausgetauscht, sondern aufeinander bezogen und weiterentwickelt (ko-konstruiert). Hieran sind beim Teamteaching mindestens zwei Lehrpersonen beteiligt. Dies bietet vielfältige Teamkonstellationen, die über Teams aus zwei Musikhochschullehrenden hinausgehen können. Ebenso denkbar wären z. B. Teams, die aus Musikhochschullehrkräften und externen Expert*innen bestehen, Lehrenden-Studierenden-Teams, reine Studierenden-Teams oder Teams, die Alumni miteinbeziehen. Teamteaching bedeutet dabei nicht zwingend, dass alle Teammitglieder die ganze Unterrichtsstunde über anwesend sind. Man spricht dann von Teamteaching, wenn in mindestens zwei von drei Unterrichtsphasen – Vorbereitung – Durchführung – Reflexion – zusammengearbeitet wird.
Welche Erfahrungen gibt es?
Lehrende, die in dieser Form zusammenarbeiten, berichten von einer Erweiterung der eigenen technischen, interpretatorischen und methodischen Kenntnisse, insbesondere in herausfordernden Situationen (für alle Aussagen von Studierenden und Lehrenden in diesem Text vgl. Saulich, 2017). Sie schätzen die durch Teamteaching hinzugewonnene Abwechslung in ihrem Arbeitsalltag, z. B. durch das Kennenlernen neuer Unterrichtsliteratur. Gemeinsam zu unterrichten, ermögliche ihnen eine Außenperspektive sowohl auf Schüler*innen als auch auf ihr eigenes Lehrverhalten, welches sie dadurch einordnen können. Durch die kontinuierliche Unterstützung fühlen sie sich in ihrem eigenen Lehrauftritt gestärkt. Sie erleben Rückhalt und ein starkes kollegiales Miteinander, was sich nicht nur auf Studierende übertrage, sondern gar zu einem »Kulturwandel« innerhalb der Institution insgesamt beitrage. Studierende, die in Teamteaching-Settings gearbeitet haben, führen als Mehrwert mehrere Wissensquellen und zusätzliche Unterstützung auf. Auch fördere die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen ihre Entscheidungsfreiheit und ihre Selbstständigkeit. Sie berichten, dass ihr Unterricht durch das Lernen in verschiedenen Lernumgebungen und mit Personen, die in unterschiedlichen Rollen agieren, an Abwechslung gewinne.
Wo liegen Herausforderungen?
Derartige Äußerungen klingen vielversprechend. Es dürfte jedoch kein Geheimnis sein, dass das Zusammenführen von Ressourcen gar nicht so einfach ist. Hierbei spielen fachliche und persönliche Voraussetzungen ebenso eine Rolle, wie die Beziehung der Lehrenden untereinander und institutionelle Rahmenbedingungen. Teamteaching kostet Zeit und ist für Lehrende mit einem kommunikativen Mehraufwand verknüpft. Hier könnten Anreizsysteme, z. B. in Form eines Stundenkontingents für Teamteachingvorhaben oder in Form von organisatorischer und finanzieller Unterstützung, ansetzen.
Mit Blick auf Studierende gilt es zu überlegen, inwiefern bzw. ab welchem Zeitpunkt der Umgang mit unterschiedlichen Meinungen und das Austarieren der eigenen Rolle in diesem Prozess sinnvoll sein kann. Auch verlangt das Ausprobieren und Abwägen unterschiedlicher Herangehensweisen ein größeres Arbeitsmaß seitens der Studierenden. In meiner Keynote am Tag der Lehre im Oktober 2023 an der HMTM werde ich unterschiedliche Teamteachingformen aus der Praxis an Musikhochschulen vorstellen und näher darauf eingehen, wie für alle Beteiligten gewinnbringende gemeinsame Lehre gelingen kann.
Maria Anna Waloschek lehrt Musikpädagogik in der künstlerisch-pädagogischen Ausbildung an der Musikhochschule Münster und ist darüber hinaus im Bereich Hochschuldidaktik und -beratung sowie als Pianistin tätig. Sie studierte Instrumentalpädagogik und Konzertfach Klavier an den Musikhochschulen Würzburg und Budapest, Management an der englischen Fernuniversität Open University. An der HMTM wird sie am ersten »Tag der Lehre« am 20. Oktober 2023 die Keynote sprechen.
Aktuelle Veröffentlichung: Waloschek, Maria Anna & Gruhle, Constanze (2022) (Hg.): Die Kunst der Lehre. Ein Praxishandbuch für Lehrende an Musikhochschulen, Münster: Waxmann.
Hochschuldidaktisches Angebot und Kontakt: www.maria-anna-waloschek.de
Quellen:
Kempen, Denise/Rohr, Dirk: »Team Teaching in Higher Education«, in: Neues Handbuch Hochschullehre, L 3.6. Berlin: 2011, S. 4. Saulich, Maria Anna (jetzt Waloschek) (2017): Neue Perspektiven für den künstlerischen Einzelunterricht – Co-Teaching und Teamteaching an Musikhochschulen. Leitlinien anhand von Praxisbeispielen im Netzwerk Musikhochschulen, in: Clausen, Bernd/Geuen, Heinz (Hg.): Qualitätsmanagement und Lehrentwicklung an Musikhochschulen. Konzepte – Projekte – Perspektiven (S. 207−233, hier: S. 216ff.), Münster: Waxmann.