Kommunikation durch Digitalisierung neu denken

8. September ’22

An der HMTM entstehen am Institut für Kulturmanagement und Medien gerade zwei neue Master-Studiengänge: Digitale Kommunikation in der Musik- und Entertainmentindustrie (ab Wintersemester 2022/23) und Kulturjournalismus in Kooperation mit der Theaterakademie August Everding (ab Wintersemester 2023/24). Beide Studiengänge reagieren auf die veränderten Bedingungen von Kommunikation und Medien durch die Digitalisierung. Die Studiengangsleitungen Prof. Dorte Lena Eilers und Prof. Dr.&nsbp;Nicolas Ruth über Ausrichtung und Zielsetzung der neuen Ausbildungsangebote.

Warum entstehen an unserer Hochschule gerade zwei neue Master-Studiengänge, die sich beide mit Fragen der Kommunikation beschäftigen?
Eilers: Kommunikation ist ja zunächst ein sehr allgemeiner Oberbegriff für ein Feld, das sich in viele Teilsysteme gliedert. Journalismus ist eines dieser Teilsysteme, mit der Spezifik, dass er in demokratisch verfassten Ländern mit einem gesellschaftlichen Auftrag verbunden ist, Stichwort „vierte Gewalt“. Journalismus schafft einen unabhängigen Ort, an dem sich fundierte und vielstimmige Meinungen bilden können. Das ist heute in Zeiten von Fakenews und gezielter Desinformation wichtiger denn je, auch in Kunst und Kultur.
Gleichzeitig haben sich durch die Digitalisierung die Medien und damit einhergehend unser Nutzungs- und Kommunikationsverhalten in den letzten Jahrzehnten extrem verändert. Es gibt heute zusätzlich zu den linearen Medien wie Fernsehen, Radio und Print eine unglaubliche Diversität an Kanälen, an nicht-linearen, digitalen Angeboten.
Zudem hat sich auch das Themenfeld des Kulturjournalismus vergrößert – weit über die reine Kunstkritik hinaus. Im Sinne eines modernen Kulturbegriffs werden heute auch philosophische, soziologische oder ökonomische Fragestellungen betrachtet, wobei sich auch die Künste selbst immer mehr mit „außerkünstlerischen“ Kontexten verbinden. Der Kulturjournalismus hat heute die große Chance, sich neu zu erfinden, sein Themenspektrum zu verbreitern und innovative Wege im Digitalen zu gehen – das wollen wir in München tun.
Ruth: Das Neudenken von Medien und das Entstehen von immer neuen digitalen Kommunikationskanälen ist auch für den Master-Studiengang Digitale Kommunikation der wesentliche Ausgangspunkt. Wir denken Kommunikation dabei stärker von innen: Alle, die Musik oder Kultur schaffen, ein Kreativ-Unternehmen gründen wollen oder in einem Kulturbetrieb tätig sind, kommunizieren. Manche wollen oder müssen sich vermarkten, andere wollen ihre Kunst, ihr Schaffen, ihre Ideen darstellen. Daher nehmen wir Fragen wie diese in den Blick: Was bedeuten entstehende Plattformen für mein Kommunikationsanliegen? Wie kann ich meine Inhalte im digitalen Bereich so kommunizieren, dass ich möglichst viele Menschen gezielt erreiche? Dabei geht es uns nicht nur um die Medienproduktion. Wir wollen Marketing-, PR- und Managementaspekte einbeziehen, neue und zukünftige Technologien evaluieren und einsetzen sowie die aktuelle Rezeptions- und Nutzungsforschung in den Blick nehmen.

An wen richten sich die beiden Studienangebote?
Ruth: Wir möchten ein breites Feld ansprechen. Musiker*innen, Komponist*innen und andere künstlerisch Tätige sind ebenso willkommen wie Personen aus musikaffinen Studiengängen oder Menschen mit einem kommunikations- oder medienwissenschaftlichen Hintergrund. Der Fokus des Studiengangs liegt auf Inhalten der gesamten Musik- und Entertainmentbranche.
Eilers: Auch wir möchten Interessierte aus verschiedenen Disziplinen ansprechen. Der Studiengang Kulturjournalismus setzt natürlich eine große Leidenschaft für Kunst und Kultur und gern auch erste Erfahrungen in der journalistischen Praxis voraus. Er ist dabei aber offen für Interessierte aus allen geisteswissenschaftlichen Fächern wie etwa Musik-, Theater- oder Kulturwissenschaften, natürlich auch für künstlerische Studiengänge und auch für kulturbegeisterte Quereinsteiger*innen.

Was erwartet die Studierenden dann?
Ruth: Wir bieten einen kompletten Ritt durch die Einführung in die Medienproduktion, Texten für digitale Plattformen, Online-Distribution, operatives Management, aber auch Medienforschung und -statistik, Wahrnehmungsforschung, Grundlagen und Geschichte von Kommunikation und Marketing sowie Einführungen in neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Blockchains oder Internet of Things. Daneben möchten wir unseren Studierenden als Praxismodul die Möglichkeit geben, Praktika zu absolvieren oder am Cultural Entrepreneurship Lab des Masters Kultur- und Musikmanagement am Institut für Kulturmanagement und Medien teilzunehmen und so unternehmerische Initiativen fördern. Wir hoffen auch, dass unsere Studierenden von Angeboten des Wavelab, des Gründungszentrums der Hochschule, profitieren können. Gleichzeitig vernetzen wir uns mit vielen Unternehmen in der Musik- und Entertainmentbranche vom Gaming über Streaming-Dienste bis hin zu Virtual Reality.
Eilers: Unser Studiengang wird im deutschsprachigen Raum der einzige Ort sein, der explizit für den Kulturjournalismus ausbildet. Das Curriculum ruht dabei in seiner Verbindung von Kulturjournalismus, Technologiekompetenz und Innovation auf drei zentralen Säulen: Wir werden uns sehr intensiv und analytisch mit Ereignissen, handelnden Personen und Strukturen der Kunst- und Kulturszene auseinandersetzen, journalistische Arbeitstechniken mit besonderem Schwerpunkt auf digitale Medien vermitteln sowie Erfindergeist wecken, wenn es um die Entwicklung gänzlich neuer medialer Formate geht. Die klassische Kunstkritik bis hin zum Debattenfeuilleton werden somit ebenso eine Rolle spielen wie der Umgang mit den verschiedenen digitalen Kommunikationsformen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Gleichzeitig streben auch wir eine Vernetzung mit den Masterstudiengängen Digitale Kommunikation, Kultur- und Musikmanagement sowie dem Cultural Entrepreneurship Lab an. Denn auch im journalistischen Bereich gibt es aus meiner Sicht großes unternehmerisches Potential. Für unsere Absolvent*innen sehe ich daher vielfältigste Möglichkeiten. Wir vernetzen uns schon jetzt mit den großen Medien wie etwa der ZEIT, dem BR oder dem ZDF. An vielen Häusern stehen Pensionierungswellen an, gleichzeitig werden Entwicklungsredaktionen aufgebaut. Hier werden Nachwuchskräfte gebraucht, die nicht nur fachlich gut ausgebildet sind, sondern auch mit digitalen Medien hervorragend umgehen können. Oder Absolvent*innen gründen gleich ihr eigenes journalistisches Medien-Start-Up.
Ruth: Dabei geht es in beiden Studiengängen übrigens auch immer um Reflexion. Digitale Ethik wird in beiden Studiengängen eine wichtige Rolle spielen. Umweltbewusstsein, Umgang mit Daten, auch in Bezug auf Gleichberechtigung, Datenschutz – diese und weitere Themen werden wir natürlich mit in die Ausbildung integrieren.
Eilers: Auch für die kulturjournalistische Berichterstattung sind dies zentrale Themen, sei es mit Blick auf die Entwicklungen in den Digital Arts, aber auch gesamtgesellschaftlich gesehen. Was bedeutet Digitalisierung als Kulturtechnik? Wo sollte die Gesellschaft vielleicht gegensteuern? Wir werden aktuelle Entwicklungen immer auch kritisch hinterfragen. Die Digitalisierung verändert unser Verhalten, aber auch die Kunst an sich – was gleichzeitig natürlich extrem spannend ist.

Was heißt das in Zeiten der Digitalisierung konkret?
Ruth: Das berührt z.B. eines meiner Forschungsgebiete: die gezielte Produktion für Plattformen und die Auswirkungen auf die Künste. Der Bezahlmechanismus von Spotify etwa greift nach 30 Sekunden. Der Trend vor diesem Hintergrund: Musikstücke werden immer kürzer. Und welche Auswirkungen haben Instagram-Stories mit einer Länge von 15 Sekunden auf die Medienproduktion? Hier gibt es viel zu erforschen…
Eilers: … und mit der Öffentlichkeit lustvoll und neugierig zu diskutieren. Das wollen wir mit unseren Studierenden tun. Für mich beschreibt Kulturjournalismus letztlich einen Modus des Denkens. Ein Denken, das ständig in Bewegung ist, das Verknüpfungen herstellt, Widersprüche aushält und daraus produktive Debatten kreiert, die der*die Kulturjournalist*in mit der Öffentlichkeit diskutiert. In welchem anderen Beruf hat man schon die Chance, innerhalb nur einer Woche mit einer KI-Forscherin über die neueste Ausstellung im Museum Brandhorst, mit einem Bühnenbildstudierenden über Recycling im Theater und einer Soziologin über Klassismus im Kulturbetrieb zu debattieren?
Ruth: Deswegen ist es übrigens auch so schön, dass beide Studiengänge – genau wie der Master-Studiengang Kultur- und Musikmanagement, den es bereits seit über zehn Jahren am Institut für Kulturmanagement und Medien an der HMTM gibt – an einer Hochschule für Musik und Theater angesiedelt sind. Hier entsteht täglich Kunst und Kultur. Unsere Studierenden können das erleben und gleichzeitig ihre Perspektive in Beziehung zu Künstler*innen setzen. Ich freue mich wirklich sehr auf die Arbeit und unsere ersten Studierenden ab Oktober 2022!

Interview: Maren Rose