Der Masterstudiengang Sound Art – was bisher geschah

Ein Interview zwischen Studierenden und ihrem Professor Till Bovermann

12. Mai ’23

Till Bovermann: Nach etwas mehr als drei Semestern des Studiengangs ist es an der Zeit, ein wenig auf die Erfahrungen zurückzublicken, die ihr als angehende Klangkünstler bereits gemacht habt. Gibt es ein Highlight eures Studiums, das ihr hier kurz beschreiben möchtet?

Valentin Penninger: Ganz platt und allgemein: Die Arbeit im Studio, da es hier in München eher wenig Platz und Freiräume gibt.

Till Bovermann: Ja, durch die Anschubfinanzierung für den Studiengang und die tolle Hilfe von vielen Mitarbeiter*innen im Haus haben wir uns jetzt ein wirklich tolles Experimentalstudio aufgebaut. Es freut mich persönlich sehr, dass ihr das so schätzt und nutzt.

Studierende sitzen im Kreis umgeben von Technik
Foto: Till Bovermann
Arbeiten im Experimentalstudio für Sound Art an der HMTM.

Daniel Geßl: Mein bisheriges Highlight im Studium war unsere Semesterpräsentation „Verneuerungen“ im schwere reiter. Es war eine tolle Erfahrung, mein erstes größeres Klangkunstprojekt präsentieren zu können.

Till Bovermann: Das war die Präsentation für das Sommersemester 2022. Prof. Nicola Hein, der damals ja zusammen mit mir den Studiengang kommissarisch leitete, hatte diese tolle  Gelegenheit aufgetan. Er kannte die Veranstalterin und hat das Konzert im Programm des schwere reiter unterbringen können. Kannst du deinen Beitrag dazu kurz beschreiben?

Daniel Geßl: Meine Performance bestand aus dem Zusammenspiel von drei Performern und einem computergesteuerten Sound-Licht-System. Die Idee war, die Audiosignale der Instrumentalisten zu analysieren und mit den gewonnenen Daten einen Synthesizer und Lichteffekte zu steuern. Ein wichtiger Aspekt bei der Programmierung des Systems war für mich, die richtige Balance auf dem schmalen Grat zwischen intuitiver Steuerung und unvorhersehbarem Verhalten zu finden.

Till Bovermann: Santiago, kannst du deine Performance für den Klassenabend kurz beschreiben?

Santiago Jiménez Rámírez: Im Rahmen des Klassenabends habe ich mein Stück „Die Falle des Messens“ präsentiert, in dem ich die Konzepte hinter Gewichten und Waagen klanglich und performativ erforscht habe. Meine zentrale Frage war, welche soziokulturellen und politischen Aspekte unser Verhältnis zu Messgeräten prägen. In der Performance baue ich nach und nach eine komplette Skulptur auf, in der ich als Performer selbst Teil der zu wiegenden Objekte werde.

Till Bovermann: Max, was hast du dazu beigetragen?

Maximilian Lindinger: Ich habe eine interaktive Tanzperformance für zwei Tänzerinnen und einen Cellisten konzipiert und inszeniert. Dabei fand ich es sehr herausfordernd, drei Künstler anzuleiten, mit einem System zu performen, das ich erst kurz zuvor entwickelt hatte und das bis zur letzten Sekunde hätte scheitern können. Gott sei Dank hat die Aufführung so funktioniert, wie ich es mir erhofft hatte. Das macht diesen Klassenabend für mich zum bisherigen Höhepunkt meines Studiums.

Till Bovermann: Neben den regulären Veranstaltungen hatten wir auch schon einige Workshops mit externen Gästen. Könnt ihr uns vielleicht einen Eindruck davon geben, was ihr aus diesen Workshops mitgenommen habt?

Daniel Geßl: Wir hatten zum Beispiel einen Workshop mit der Klangkünstlerin Conny Zenk, in dem wir uns mit dem Thema Klang im öffentlichen Raum auseinandergesetzt haben.

 

Studierenden stehen am Ufer der Isar und arbeiten mit Mikrofonen
Foto: Till Bovermann
Am Isarstrand beim Workshop mit Conny Zenk

Maximilian Lindinger: Für mich war es die erste Begegnung mit Fieldrecording als Ausdrucksform, die sich mit der Dialektik zwischen Natur und Stadt beschäftigt. Auch die gute Laune aller Beteiligten ist mir in Erinnerung geblieben. Ich glaube, dass wir alle durch die lockere und entspannte Atmosphäre bereit waren, mehr als sonst mit der Umgebung am Isarstrand zu interagieren und so zu neuen und spannenden Klängen zu kommen.

Daniel Geßl: Ja, auch wenn es sich anfangs etwas komisch angefühlt hat, z.B. im Fahrradtunnel unter unbeteiligten Passanten mit Audiofeedback zu experimentieren, war es doch sehr spannend, die Reaktionen der Leute zu sehen und diese anfängliche Unsicherheit zu überwinden.

Till Bovermann: Ja, es war schon spannend, wie die Leute reagiert haben, wir hatten eigentlich alle Reaktionen von verärgert bis erfreut… Im Workshop mit Joshua Rutter waren wir ja auch im öffentlichen Raum unterwegs, aber mit einer anderen Herangehensweise: Hier ging es vor allem um die klangliche Beziehung zwischen dem eigenen Körper und seiner Umgebung.

Maximilian Lindinger: Eine Übung, an die ich mich gerne erinnere, war eine improvisierte Performance vor der Pinaktothek der Moderne mit einer Getränkedose. Das war auch für mich eine neue Erfahrung, die ich mich vermutlich alleine nicht getraut hätte. Das schönste Erlebnis für mich war jedoch der Soundwalk für 3 Personen. Eine Person, die die Augen geschlossen halten musste, eine Person, die die „blinde“ Person führte und eine dritte Person, die während des „Soundwalks“ Geräusche erzeugte. Es war faszinierend zu erleben, wie Orientierung und Klangerlebnis langsam auseinander driften, wenn man plötzlich des Visuellen beraubt wird.

Daniel Geßl: Ich fand auch, dass bei diesem geführten Soundwalk die Abgabe der Kontrolle zum einen eine Verunsicherung mit sich brachte, die etwas von der Performance selbst ablenkte. Auf der anderen Seite habe ich durch den Wegfall des visuellen Reizes die auditive Ebene viel bewusster und intensiver wahrgenommen.

Valentin Penninger: Für mich war der gesamte Workshop ein schönes Beispiel für Community Building mit künstlerischen Mitteln. Ich fand den Aspekt der aktiven Verknüpfung von Körper- und Klangwahrnehmung besonders spannend, hier konnte ich auch einen schönen Bezug zu meiner performativen Arbeit herstellen.

Daniel Geßl: Eine tolle Übung war, als sich immer einer von uns mit geschlossenen Augen auf den Boden gesetzt hat, ein Zischgeräusch von sich gegeben hat und die anderen dann nur durch die Positionierung ihrer Hände um den Kopf dieser Person ein spannendes und immersives Hörerlebnis geschaffen haben.

Till Bovermann: Immersion war auch ein zentrales Thema im Workshop mit Martine Rojina, wo wir uns mit der Wahrnehmung von Subbass beschäftigt haben.

Daniel Geßl: Was mir von diesem Workshop am meisten im Gedächtnis geblieben ist, ist der Inklusionsgedanke. Die Idee, mit Subbass-Kompositionen „auditive Kunst“ auch für gehörlose Menschen erlebbar zu machen, indem man die taktile Eigenschaft der hochenergetischen Schallwellen im Bassbereich und Hilfsmittel wie vibrierende Westen nutzt.

Till Bovermann: Das mit der vibrierenden Weste klingt spannend, was ist der Unterschied zum „normalen“ Hören?

Daniel Geßl: Man nimmt Klänge nicht mehr als Vibrationen über das Gehör wahr, sondern spürt sie auf dem Körper. Das fühlt sich ein bisschen so an, wie wenn man in einem Club vor einem Subwoofer steht, nur dass man die auditive Wahrnehmung weitgehend ausschaltet. Es war auch sehr spannend, mit einem Synthesizer zu spielen, der nur über diese Weste wiedergegeben wurde. Durch die ausschließliche Konzentration auf den Subbass ergibt sich automatisch eine ganz andere Herangehensweise an das Sounddesign.

Daniel Geßl: Mit ähnlich einfachen Mitteln der Klangkunst hat uns Rie Nakajima vertraut gemacht. Sie verwendet keine aufwendigen technischen Systeme oder Programme, sondern gestaltet ihre Kunst aus etwas, das man vielleicht eher als das Sammelsurium einer Spielzeugkiste bezeichnen könnte.

Till Bovermann: Ich war bei dem Workshop leider nicht dabei, was habt ihr denn mit ihr gemacht?

Daniel Geßl: Wir haben hauptsächlich mit den kleinen Gadgets gespielt, die sie mitgebracht hat.

Maximilian Lindinger: Ja, wir haben auch viele kleine Spielzeuge gebaut, die sich durch ihre Unvollkommenheit und Unberechenbarkeit auszeichneten. Ich fand es inspirierend, darüber nachzudenken, was man damit künstlerisch machen könnte und welche zufälligen Klangereignisse sich daraus ergeben würden.

Santiago Jiménez Rámírez: Ich habe hier eine Herangehensweise an Klangkunst kennen gelernt, in der Elemente wie Fehler, Unvollkommenheit, Objekt und Offenheit eine sehr starke künstlerische Ausdruckskraft entfalten: Was bedeutet es, seine künstlerische Sprache in einem Koffer zu transportieren? Welche Verletzlichkeiten und Sensibilitäten gegenüber der Umgebung entstehen dadurch, bzw. wie gestaltet sich das sensible Verhältnis zwischen dem Raum und den darin stattfindenden Aktionen?

Daniel Geßl: Spannend fand ich auch, wie viele filigrane und interessante Klangereignisse mit den wenigen einfachen Mitteln, die uns zur Verfügung standen, erzeugt werden konnten.

Till Bovermann: Vielen Dank für diese schönen Eindrücke, ich freue mich schon auf die nächsten Semester Sound Art!

Foto von Till Bovermann

Prof. Dr.-Ing. Till Bovermann

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