Die Gründung des Forum Forschung und der Forschungskommission, die Einführung des Promotionsfaches Musik – Medien – Management, ein eigener Forschungsfonds und erfolgreiche Drittmittelanträge – Forschung ist an der HMTM im Aufwind. Die Sprecher*innen des Forum Forschung, Prof. Dr. Christine Dettmann und Prof. Dr. Nicolas Ruth, und Forschungsdekan Prof. Dr. Friedrich Geiger geben im Interview Einblick in aktuelle Entwicklungen und zukünftige Vorhaben.
Was ist eigentlich Forschung an der HMTM?
Friedrich Geiger: Für uns ist es wichtig, zwischen drei Arten von Forschung zu unterscheiden: Wissenschaftliche Forschung findet an der HMTM genauso wie an einer Universität statt. Schwerpunkte liegen dabei etwa in den Bereichen Musik und Diktatur (auch in Form des Ben-Haim-Forschungszentrums), Interpretationsforschung, Musikpädagogik, Künstliche Intelligenz im Kulturbereich, Musikpsychologie, Musikethnologie, Audiovisuelle Medien. Auch auf den Gebieten der Tanz- und Musikmedizin wird geforscht.
Daneben gibt es – und das ist etwas Spezifisches an einer künstlerischen Hochschule – die künstlerische Forschung. Künstlerische Forschung ist nicht mit Wissenschaft zu verwechseln. Die Begriffe »Forschung« und »Wissenschaft« werden zwar oft synonym verwendet. Das ist jedoch irreführend, denn ein künstlerischer Forschungsprozess folgt anderen Kriterien. Zwar zielt auch die künstlerische Forschung auf Erkenntnisgewinn. Aber bei künstlerischer Forschung geschieht dies auf einem ästhetischen Weg, mit ästhetischen, künstlerischen Mitteln. Dieser noch recht junge Bereich, der oft auch »Artistic Research« genannt wird, spielt auch international eine große Rolle.
Und dann gibt es als drittes Paradigma noch etwas, was man als künstlerisch-wissenschaftliche Forschung bezeichnen kann – in gewisser Weise eine Synthese oder Zusammenarbeit dieser beiden Richtungen, die idealerweise in Tandems aus Wissenschaftler*innen und Künstler*innen stattfindet.
Was ist das Besondere an Forschung an einer künstlerischen Hochschule?
Christine Dettmann: Das Besondere an einer künstlerischen Hochschule wie der HMTM sind vor allem die kurzen Wege zwischen Theorie und Praxis. Wissenschaftliche Ergebnisse können im Prinzip sofort umgesetzt und ausprobiert werden, z.B. in Form eines Konzertprogramms. Auch aus der Praxis gewonnene Erkenntnisse fließen unmittelbar wieder in die Forschung ein; die Lehre wird hier oft zum Labor einer praxisorientierten Forschung. Und es gibt die Möglichkeiten und Schnittstellen für eine künstlerische Forschung.
Das Forschungsdekanat, die Verankerung des Ressorts Forschung in der Hochschulleitung, eine Forschungskommission, ein interner Forschungsfonds– all dies und mehr ist vor allem in den letzten ein, zwei Jahren entstanden. Warum erhält Forschung an der HMTM aktuell diesen Aufwind?
Geiger: Seit Januar 2023 wirkt eine ganz zentrale hochschulpolitische Neuerung: das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG). Im BayHIG wurde ein wirklicher Paradigmenwechsel für Forschung an künstlerischen Hochschulen auf den Weg gebracht. Zuvor waren »Forschung und Lehre« als doppelter Auftrag lediglich für die Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (die früheren Fachhochschulen) vorgesehen. Im BayHIG gilt der Kernauftrag »Forschung und Lehre« nun auch für die Kunst- und Musikhochschulen. Damit wird die Forschung, die ja seit Langem schon an künstlerischen Hochschulen stattfindet, anerkannt und aufgewertet. Das beschert uns als HMTM viele neue Möglichkeiten und Rechte.
Was bedeutet das konkret?
Dettmann: Das BayHIG hat neue Rahmenbedingungen für das geschaffen, was es an unserer Hochschule bereits gibt. Grundsätzlich wurde an der HMTM schon immer geforscht, traditionell vor allem auf den Gebieten Musikwissenschaft. Die Hochschule hat eigene Schriftenreihen und präsentiert Forschungsergebnisse in der Vortragsreihe »Musik im Diskurs«.
Geiger: Deutlich wird dies etwa an dem selbstständigen Promotionsrecht, das wir nun dank des BayHIG besitzen. Bis dato durften wir nur in Kooperation mit einer Universität Studierende promovieren und das ausschließlich in zwei Fächern – Musikwissenschaft und Musikpädagogik. Durch das BayHIG können wir unsere Promotionsfächer nun selbst bestimmen und bei Bedarf unser Netzwerk zu anderen Universitäten und Hochschulen ausbauen. Vor diesem Hintergrund haben wir bereits ein drittes Promotionsfach auf den Weg gebracht: Musik – Medien – Management.
Nicolas Ruth: Dieses Promotionsfach ist ein wunderbares Angebot für alle Masterstudiengänge, die im weitesten Sinne etwas mit Musik-, Kommunikations- oder Medienwissenschaft sowie Kulturmanagement zu tun haben. Bei uns vereint es also vor allem die interdisziplinäre empirische Forschung an der Schnittstelle zu Musik und Medien und zu allem, das mit Management, Marketing oder neuen Geschäftsmodellen zusammenhängt.
Welchen Stellenwert haben Promotionen denn aktuell an der HMTM?
Geiger: Derzeit haben wir rund 20 laufende Promotionen an der HMTM. Damit müssen wir uns vor keinem Universitätsinstitut verstecken. Wenn man unsere Abschlüsse in den letzten Jahren anschaut, ist das für eine Hochschule unserer Größe schon sehr beachtlich. Dennoch werden wir diesen Bereich nach Möglichkeit noch weiter ausbauen.
Dazu sind wir etwa in einem sehr engen und produktiven Dialog mit den anderen bayerischen Musikhochschulen, insbesondere zum Thema Promotion, das für die wissenschaftliche Forschung sozusagen die Einstiegsebene ist. Wir denken gemeinsam über so genannte »strukturierte Promotionsprogramme« nach, auch in einem interdisziplinären Verbund mit den Kunsthochschulen. Aber auch eingespielte Partnerschaften wie etwa mit der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) werden wir fortsetzen.
Wie wird Forschung denn an unserer Hochschule zukünftig organisiert?
Ruth: In Folge dessen, dass Forschung an unserer Hochschule nicht nur in einem Fach verankert ist, sondern sehr viele verschiedene Bereiche betrifft, haben wir im vergangenen Jahr das »Forum Forschung« gegründet. Das Forum Forschung ist eine hochschulinterne Plattform, die den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen allen Forschenden und Forschungsinteressierten fördert. Ziel ist es, ein interdisziplinäres Umfeld zu schaffen, in dem die gesamte Hochschulgemeinschaft über Fachbereiche hinweg Forschungsideen, -projekte und -perspektiven teilen und entwickeln kann. Uns war sehr wichtig, dass wir sehr breit aufgestellt sind und möglichst viele Institute der HMTM einbeziehen.
Dettmann: Die Arbeit im Forum Forschung ist auch deshalb so spannend, weil es vor allem diesen Austausch zwischen den Disziplinen gibt. Wir können hier ein größeres Netzwerk von forschungsaffinen Menschen an unserer Hochschule aufstellen. Wichtig ist hier auch der Erfahrungsaustausch, zum Beispiel zu Fragen der Finanzierung und Antragstellung.
Ruth: Zusätzlich gibt es seit letztem Jahr eine Forschungskommission an der HMTM. Diese Kommission trifft die forschungsbezogenen Entscheidungen unserer Hochschule, organisiert die Treffen des Forums, die zweimal pro Semester stattfinden, und fördert Forschungsinitiativen an der HMTM und den interdisziplinären Austausch dazu. Ein wichtiges Instrument ist der interne Fonds Forschung, der Angehörige der HMTM bei ihren Vorhaben finanziell unterstützen kann. Die Forschungskommission hat bereits den ersten Tag der Forschung im Juli 2024 organisiert.
Welche Ziele haben Sie insgesamt für die Forschung an der HMTM?
Geiger: Den Ausbau und die Strukturierung von Promotionen haben wir schon genannt. Genauso das Einbringen von forschungsmethodischen Aspekten in die verschiedenen Studiengänge der HMTM, wo es möglich und sinnvoll ist. Wichtig ist uns die Stärkung des interdisziplinären Austauschs innerhalb der Hochschule. In den letzten Jahren hat die HMTM viele Professuren besetzt, die sich mit aktuellen musikbezogenen Themen und Entwicklungen auseinandersetzen, etwa Fragen der Künstlichen Intelligenz. Aber auch Grundlagenforschung ist an unserem Haus verankert. Außerdem gibt es nicht nur Forschungsansätze im musikbezogenen Bereich, auch Tanz und Theater möchten wir gern mehr integrieren.
Interview: Nadine Gerold und Maren Rose